Wird etwa Hofer auch noch Kolbenheyer – vielleicht dann in einer eigens dafür neu geschaffenen Landsmannschaftenreihe »Gottbegnadetenliste« – bald vertreiben?

Posted on 25. Oktober 2010

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Denn Tracht, die besonders vom Personal der Parteien FPÖ, BZÖ, FPK und ÖVP gerne getragen wird, kann bereits auch in den hoferschen Lebensmittelgeschäften in der Schritt für Schritt bald nur noch nach der Einwohnerinnen- und Einwohnerzahl Großstadt, die mehr und mehr an den Roman von Hugo Bettauer erinnert, in dem erzählt wird, wie mit der Verjagung von Menschen, damals von Juden, Wien in Kleidung und Geist und Kultur zu einem Trachtenalpendorf an der Donau …

Der Roman von Hugo Bettauer hat ein gutes Ende, die verjagten Menschen dürfen zurückkehren … Das wirkliche Geschehen aber in den 23 Jahren, die nach der Niederschrift dieses Romanes kamen, war kein gutes, sondern ein von Deutschvolkstum geistig, moralisch und ethisch korrumpiertes und zerfressenes und schließlich massenmörderisches …

Kolbenheyer, Rosenberg, Hitler,

Und 88 Jahre nach Veröffentlichung des bettauerschen Romanes muß heute im Kaffeehaus Prückel in der ZZ (Zur Zeit, aktuelle Ausgabe) ein mit H. M. gezeichnetes Lobklagelied auf Erwin Guido Kolbenheyer gelesen und sofort gedacht werden, es muß dazu, wieder, etwas geschrieben werden.

Denn wie die Tracht mehr und mehr zurückkehrt, kehrt mit der Tracht auch der gesamte volkskirchtumanschauliche Stumpfsinn vermehrt zurück, der ausschließlich nur zu Gewalt und Elend und in der Vergangenheit zu Massenmord führte …

Womit soll begonnen werden, die ZZ-Weißwaschung von E. G. Kolbenheyer zu widerlegen?

Das tückische aufgeblasene breiige Nichts-KolbenheyerH.M. scheint zu meinen, er könne E. G. Kolbenheyer aus seinem nationalsozialistischen Umfeld erlösen, wenn er darauf verweist, Kolbenheyer habe seine wesentlichen Werke vor 1933 geschrieben. Aber es ist bekannt, daß alles Wesentliche für den Faschismus und für den Nationalsozialismus vor 1933 geschrieben wurde. Von 1933 bis 1945 wurde noch weniger geistig gearbeitet, sondern vor allem grausam und mörderisch gehandelt.

H. M. meint mit dem Hinweis, Kolbenheyer hätte sich nicht vereinnahmen lassen, weil er zum Beispiel die Leitung der Reichsschriftumskammer ablehnte. Erwin Guido Kolbenheyer mußte sich auch nicht vereinnahmen lassen, weil er ohnehin gesinnungsförderlich fleißig … Und dafür, für diese seine Arbeit mit Auszeichnungen über und über behängt, belobt von Adolf Hitler über Alfred Rosenberg … Es soll für eine Sekunde angenommen werden, daß es tatsächlich so war, wie H.M. schreibt, daß also Kolbenheyer die Leitung ablehnte … Möglicherweise war er nicht so fleißig, bereits genügend ausgelastet?

[Joseph Wulf, Literatur und Dichtung im Dritten Reich]

Münchner Zeitung, 8. Mai 1933: Der Kulturminister hat die folgenden Dichter in die Dichterakademie berufen: Werner Beumelberg, Hans Friedrich Blunck, Hans Carossa, Peter Dörfler, Paul Ernst, Friedrich Griese, Hans Grimm, Hanns Johst, Kolbenheyer, Agnes Miegel […]

Hartungsche Zeitung, Königsberg, vom 10. Juni 1933: Zum 1. Vorsitzenden der Deutschen Akademie der Dichtung wurde gewählt Hanns Johst, […]. Zu Senatoren wurden bestimmt Werner Beumelberg, Hans Friedrich Blunck, Hans Grimm, Hanns Johst, Erwin Guido Kolbenheyer […]

Und Gedichte hatte er ja auch noch zu schreiben, wenn er nicht gerade biologistisch philosophierte, etwa das Gedicht für die Gedenktafelenthüllung an der Adolf-Hitler-Kaserne in München, gesprochen von einem Offizier:

Im Schicksalsturm der Völker wächst der Mann, der seinem Volk die Bresche bricht zum Licht. Er trägt Verlangen nach der starken Stunde, die blanke Waffen führt und keinem Munde das überflüss’ge Wort vergeben kann. Er sucht die Tat. Die Tat nur hat Gewicht. Und Grenzlandsehnsucht schärft ihm das Gesicht. Er weiß, hoch über allem Ränkespiel wird sich sein Volk als Führervolk erweisen: das weite Volk, geeint durch Blut und Eisen! Träume versinken. Einzig nur die Pflicht des eignen Opferganges scheint ihm Ziel. So dankt er Gott in strömendem Gefühl, daß ihm die Gnade wird Soldat zu sein in einer Stunde, da der Erdkreis zittert und deutscher Boden, schicksalüberwittert, den Führer zeugt: ein Herz in Flammen kühl, ein Wille planvoll, hart, kritallenrein.

Wer solch gottbegnadete Verse …, dem steht kaum etwas, auch nicht nach dem Leiten einer Kammer, wenn, wie geschrieben, es wahr ist, was H.M. schreibt …

H. M. meint, Erwin Guido Kolbenheyer sei heute weitestgehend vergessen, weil er ein Opfer der angloamerikanischen Umerziehung … Er ist auch nicht mundtot gemacht, zumindest in den landsmannschaftlichen Kreisen wird nach wie vor, wie gelesen werden kann … Dieses Lager hat weiter etwas übrig für eine Literatur, die weder gedanklich noch literarisch von Bedeutung ist.

H. M. veröffentlicht ein Bild (Archiv Helge Morgengrauen), das wohl Erwin Guido Kolbenheyer … Nach diesem Bild hat sich E. G. Kolbenheyer wenigstens äußerlich sehr verändert. Es erinnert fast an Wolfgang Schüssel. In ein oder zwei Jahrzehnten könnte Wolfgang Schüssel so … Oder ist es ein Bild von Dr. Hans Berger?

Den in der Nationalismus- und Revisionismus-Industrie Tätigen kann mit Sätzen aus der Zeit, von der sie nicht lassen können, am besten erwidert werden:

Über die Atmosphäre in der neuen Dichterakademie notierte Oskar Loerke am 9. Juni in Tagebücher 1903-1939, a. a. O., S 275-276: »Mittwoch vormittag konstituierende Sitzung der ›Dichter‹-Akadmeieabteilung. Feierlicher Beginn: Kultusminister Rust, der Präsident. Als die Herrschaften sich selbst überlassen waren, wurde es unangenehm. Die guten Alten triumphieren. Emil Strauß, Hermann Stehr. Sie fühlen sich jetzt würdig und wichtig. Man hat ihnen auch Senatsstellen gegeben. Im übrigen waren die Herren Nationalisten sehr unter sich. Schäfer, immer zu hysterischen Wutausbrüchen neigend, brüllend, schwarzer Alberich. Das tückische aufgeblasene breiige Nichts-Kolbenheyer, stundenlang redend. Eitle Diktatoren […]

Ja, aus der Akademie wurde nach den jüngten Vorgängen ein Sängerkränzchen, ein Friseurverein. Aber die Herren Kolbenheyer und Schäfer sollen anrichten, was ihres Geistes ist!

Das tückische aufgeblasene breiige Nichts-Kolbenheyer … Oskar Loerke muß wohl schon im Juni 1933 angloamerikanisch …

PS Verwendetes Material: Joseph Wulf, Literatur und Dichtung im Dritten Reich, Ullstein-Buch Nr. 33029, 1983. Ausritt 1938/39, Almanach des Verlages Albert Langen=Georg Müller, München.

PPS Die kolbenheyerschen Zeilen über die nährenden Brüste sind aus Heimkehr in einem Film … Rezitationsabend zum 10. Oktober … Manche der oben Angeführten sind ebenfalls in dieser Arbeit zu finden. Und wenn H. M. in der ZZ demnächst vielleicht schon, wieder, einen nächsten Dichter loben wird wollen, kann vermutet werden, auch dieser Dichter wird sich …

PPPS Martin Graf, bald zwei Jahre III. Präsident NR und dadurch Besetzer einer der formal höchsten Staatsstellen in der Republik Österreich, schreibt ebenfalls für ZZ

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